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DER MALORT - EIN ORT JENSEITS VON RICHTIG UND FALSCH

Aktualisiert: 5. Juli

EIN GESPRÄCH VON DR. CAROLINE WITTIG UND FRAUKE RATZKE Der Malort ist ein geschützter Ort, an dem Menschen jeden Alters bewertungsfrei  ohne Anregungen oder Kommentare malen können. Dazu nutzen sie Pinsel und Farben auf dem Palettentisch in der Mitte des fensterlosen Raumes. Die Bilder werden im Malort archiviert und bleiben den Blicken Außenstehender verborgen. So wird nicht das Ergebnis, sondern der Augenblick des Malens bedeutsam – das Malspiel selbst. Begleitet werden die Malenden von einer ‚dienenden Person‘, die durch  Vorbereitung und Gestaltung der Umgebung ein unmittelbares Eintauchen in das Spiel ermöglicht.Wie tragen die durch Spielregeln und Rituale gekennzeichneten Rahmenbedingungen dazu bei, dass eine bewertungsfreie Haltung entstehen kann. Dieser und anderen Fragen sind wir im Gespräch nachgegangen.


Niederschrift des Gesprächs vom 23. Sept. 2024 an der Uni WuppertalDüsseldorf, Februar 2025

Filmstill Gartmann/Pirch aus "schreib.mal.spiel" vom Malort e.V.
Filmstill Gartmann/Pirch aus "schreib.mal.spiel" vom Malort e.V.

WAS IST DER MALORT? VORSTELLUNG DES MALSPIELS

Caroline Wittig: Was ist der Malort?

Frauke Ratzke: Der Malort ist einmal der geschützte Ort. Als ich zum ersten Mal davon hörte, sagte eine Freundin aus der Schweiz: „Da kommen nur die Malenden rein. Das hat mich – als Künstlerin damals sehr angesprochen. Bis dahin hatte ich nur zwei Möglichkeiten gesehen; entweder ich gehe mit meinen Arbeiten hinaus in die Öffentlichkeit oder ich bin Hobby-Künstlerin so ‚nebenher‘. Nun tat sich eine neue Perspektive auf.Der Malort ist ein Ort jenseits von Richtig und Falsch. Es gibt das Zitat von Rumi, das gerne im Rahmen der Gewaltfreien Kommunikation benutzt wird: „Jenseits von Richtig und Falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns!“ und ich hatte mir dieses ‚Jenseits‘ unbewusst immer in unerreichbarer Ferne vorgestellt. Als ich dann aber bei Arno Stern 2013 in Paris im ‚Closlieu‘ stand, wurde mir klar, diesen Ort gibt es schon … ganz praktisch und konkret führt er einen in eine bewertungsfreie Haltung!Hier im Malort, dem geschützten Raum, wird gemalt. Und zwar an den vier Wänden, im Stehen. In der Mitte des Raumes steht der Palettentisch mit den Farben. Hier tauchen alle Malenden – etwa 6 bis 15 Menschen zugleich – ihre Pinsel ein und pendeln von dort hin und her zu ihrem Blatt, jeweils zwei drei Schritte zur Wand.

DREI BEDINGUNGEN FÜR BEWERTUNGS-FREIHEIT

Frauke: Damit Bewertungsfreiheit gewährleistet ist, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Der geschützte Raum – dort haben nur die Malenden Zutritt, keine Zuschauer. Der Raum ist geschlossen, er ist von äußeren Bedingungen (Jahres- oder Tageszeiten, Wetterbedingungen) unabhängig. Der Raum ist gleichmäßig und hell ausgeleuchtet, jedoch dringt kein Licht von außen ein.

2. Meine Rolle ist eine „dienende“– ich biete den geschützten Raum und sorge dafür, dass alles Material jederzeit zur Verfügung  steht und die Malbedürfnisse aller Teilnehmenden erfüllt werden. Ich habe Kenntnis der Formulation, das ist die Entwicklung und Entfaltung der „natürlichen Spur“ (Arno Stern), Alles entfaltet sich hier spontan von innen heraus, nicht nach einem Konzept oder einer künstlerischen Idee.  Ich bin weder Lehrerin noch Meisterin, bringe also nichts bei und  bin somit auch kein Vorbild beim Malen.

3. Die Altersmischung gehört dazu. Von etwa 2-3 Jahren bis 70-80 Jahren malen alle nebeneinander im selben Raum zur selben Zeit. Mit dieser Verschiedenheit entfallen Wettbewerb und Vergleich. Ich vergleiche mich nicht mit einem Dreijährigen, wenn ich male, aber ich kann mich von seiner ungeheuren Offenheit und Fähigkeit sich zu begeistern anstecken lassen. Umgekehrt hat es eine große Wirkung auf Kinder, wenn Erwachsene dasselbe tun wie sie und zwar für sich und nicht nur ihnen zuliebe.  Alle benutzen dasselbe hochwertige Material.

Foto: Gartmann/Pirch 2019
Foto: Gartmann/Pirch 2019

„REISSZWECKE MUSS WEG!“ - ABLAUF EINER MALSTUNDE & MATERIALIEN Caroline: Wie läuft das genau ab, sobald ich mich beim Malort angemeldet habe und dann zur Malstunde zu dir komme?

Frauke: Man kommt mit nichts und man geht mit nichts… ‘Nichts‘ im materiellen Sinn. Auf anderen Ebenen natürlich schon. Man erlebt etwas im Innern, was nicht gleich durch Vorzeigen mit anderen geteilt werden kann. Es ist erst mal ganz für mich allein wertvoll.  Hier ist vielleicht zu ahnen, was über die Zeit geschieht, je mehr solcher Erlebnisse sich abspeichern.  Im Malort gibt es ganz typische Abläufe. Diese Struktur ist Voraussetzung für das selbst bestimmte Spiel.  Mit einem Kittel betritt jeder den Raum und nimmt sich dort ein Blatt Papier. Dieses Blatt nimmt sich auch das jüngste Kind selber als seinen Raum, in den sich niemand einmischt. Die Eltern können anfangs dabei sein, sie helfen jedoch nicht dabei.

Das Blatt wird zur Wand getragen, wo ich als „Dienende“ es mit zwei Reißzwecken befestige. Der Ankömmling nimmt sich weitere Reißzwecken und steckt sie ebenfalls in das Blatt. Dies sind wichtige Details und Teil des Spiels. Sie schaffen Verbindung und Aufmerksamkeit. Dies geschieht in Ruhe und signalisiert den Ankommenden: es ist genug für dich von allem da, wie für alle anderen auch.

Sobald das Blatt hängt, geht der Malende zur Mitte des Raumes zum Palettentisch und nimmt sich dort einen Pinsel und Farbe. Das Spiel auf dem Blatt beginnt.

Caroline: Wie viel Farben stehen denn zur Auswahl? Und sind das immer dieselben?

Frauke: Am Palettentisch gibt es 18 Farben, das sind immer dieselben. Und darüber hinaus kann man aus diesen Farben unendlich viele weitere mischen. Dazu gibt es separate Schälchen, damit dieses Instrument in der Mitte des Raumes immer perfekt gestimmt ist. Wenn jemand gelbe Farbe braucht, weiß er, er findet sie verlässlich am Tisch ohne  Vermischung mit anderen Farben. Caroline: Ich würde dann malen solange ich möchte, oder gibt es eine bestimmte Zeit? Frauke: Jede Malstunde dauert 90 Minuten, einmal pro Woche an einem bestimmten Tag. Jüngere malen weniger, etwa eine Stunde.

Caroline: Und das ist dann auch immer dieselbe Gruppe?

Frauke: Ja, es ist dieselbe Gruppe. Da man übers Jahr jederzeit beginnen kann, kommen manchmal neue dazu oder andere hören auf, so dass es Wechsel gibt. Dennoch entsteht so eine organisch wachsende Gruppe, in der es Erfahrene gibt und eben immer wieder Neue. Das hat auch den folgenden Vorteil. Dass es hier keine Vorgaben und Aufgaben gibt, ist für die allermeisten Menschen zuhöchst ungewohnt. Das heißt niemand weiß vorher, wie das Malspiel genau abläuft und da ist es sehr, sehr hilfreich, wenn es schon eine Gruppe gibt, in der es selbstverständlich geworden ist. Das ist ja keine Kopfsache, die man mit Worten erklären kann. Das Erleben steht hier im Vordergrund und das Spielen. Und sich darin einzufinden, kann eine ganze Weile dauern. Wenn ein Malort oder eine Gruppe ganz neu aufgemacht wird, dann hat man natürlich die Situation, dass alle sich zugleich einfinden müssen.

ERMÖGLICHUNGEN - Die Spielregeln im Malspiel

Caroline: Kannst du nochmal was zu den Spielregeln sagen? Jetzt wo du schon das unterschiedliche Erfahrungs-Alter angesprochen hast. Die Erfahrung macht ja eben auch, dass man mit den Spielregeln vertraut ist, die vielleicht anders sind als in üblichen Malsituationen.

Frauke: Ja, die Spielregeln. Wichtig ist erst mal, dass  das Gesetzmäßigkeiten sind, die aus dem Spiel erwachsen sind. Die bei der Beobachtung von Kindern beim Malen gewissermaßen extrahiert und nachvollzogen wurden.

Sie sind  nicht aus einem ‚Erwachsenen-Konzept‘ entsprungen. Arno Stern, der Erfinder des Malorts hat diese durch Beobachtung gefunden, nicht ausgedacht. Er hat jahrzehntelange Erfahrung mit dem Malspiel und hat seit den 50er Jahren alles dokumentiert, was bei ihm im Malort geschehen ist. Das ist faszinierend.

Die überraschende Erfahrung für mich:  Ich kam als Künstlerin zum Malort und hatte bereits viele Erfahrungen mit Kunstwerkstätten und –Ateliers gesammelt. Überall wurde die Freiheit der Kunst hochgehalten. Das waren Umgebungen, in denen der Umgang mit dem Material sehr viel lockerer war als im Malort. Es war im Grunde meistens egal, wie man mit dem Material umging. Das hat mich in Workshops immer schon gestört, und gleichzeitig war ich selbst noch geprägt und orientiert an moderneren Künstler-Vorbildern und unsachgemäßer Gebrauch erschien mir teilweise noch als ‚freier Umgang‘.Im Malort ist das ganz anders. Hier wird sehr, sehr achtsam mit den Pinseln und Farben umgegangen. Weil es hier nicht darum geht, einen Effekt, eine Wirkung oder eine Aussage zu erzielen. Der Pinsel ist im Grunde eine Verlängerung des Armes und der Hand, so dass dort hindurch, durch ein Geschehen lassen, das Gemalte entsteht. Arno Stern nennt es daher auch Spur. Die Bewegung kommt aus dem Körper. Um auf das für mich Überraschende zurückzukommen: Freiheit ist nicht meine Vorstellung davon (die in der Regel vom Verstand erdacht ist), sondern was von Innen heraus notwendigerweise geschieht und geschehen muss, soabld ich es zulassen kann, dass mein Verstand sich dem nicht in den Weg stellt. Dafür ist der Malort da: um dieses Spontane, von innen Notwendige zugänglich zu machen und zu ermöglichen.

Es ist so einfach, dass wir es vielleicht deswegen nicht glauben können.   Wir kennen es alle: da, wo Kinder ungestört malen – da gibt es keine Hemmung, kein Zögern, kein Zweifeln, es geschieht einfach, es kommt einfach so heraus! Es ist ein Erleben mit allen Sinnen; der ganze Körper, der ganze Mensch ist involviert.

Foto: Frauke Ratzke
Foto: Frauke Ratzke

SPIELRAUM GEBEN – FRAUKES WEG ZUM MALORT

Caroline: Ich würde gerne noch etwas zu deiner Biografie fragen, wo du eben sagtest, als Künstlerin hast du auch ganz andere Werkstätten besucht, Workshops gegeben und dich irgendwann ja entschieden, Malort-Gebende zu werden. Wie ist es dazu gekommen, dass du diese Entscheidung getroffen hast?

Frauke: Ungefähr vor 15 Jahren habe ich mich nochmal auf den Weg gemacht. Ich hatte bis dahin schon ca. 25 Jahre als Künstlerin freiberuflich gearbeitet Mit Höhen und Tiefen. Ich habe noch einmal alles, was ich tat, hinterfragt, mit großer Neugier. Denn einerseits machte ich vieles gerne und andererseits gab es Dinge, die ich nicht mehr wollte. Mit dem Ausstellen zum Beispiel habe ich mich nie so wirklich anfreunden können, dachte aber, es müsse als Teil meines Berufes eben sein. Ich wurde mir auch des Druckes mehr gewahr, immer etwas Neues produzieren zu ‚wollen‘. Inspiriert von Marshall Rosenberg (der für Gewaltfreie Kommunikation bekannt ist), machte ich mir eine Liste von Dingen, die ich nicht mehr tun wollte. Und habe diese dann nach und nach ersetzt. So bin ich im Grunde zum Malort gekommen. Vielleicht schicke ich noch vorweg, dass ich mich zu dieser Erkundung oft mit einer Kollegin in Düsseldorf am Strand getroffen habe. Jede hat für sich erforscht, wo ihre Reise hingeht. Dadurch habe ich entdeckt, dass Spielraum geben und haben für mich essentiell ist. Es ist magisch, denn  sobald Spielraum da ist, geschehen hilfreiche Dinge, Türen tun sich auf usw. Und sobald der Spielraum weg ist, aus einer Sorge heraus z.B., passt etwas nicht mehr. So hatte ich nun den passenden Filter für meine aktuelle Situation und ich konnte damit gut überprüfen, was ich beibehalten wollte und was nicht. Beim Ausstellen z.B. empfand ich persönlich kaum Spielraum. Und schließlich, ein zentraler Punkt, die ausgestellten Arbeiten werden bewertet …

Caroline: … und auch kommentiert …

Frauke: Ja, und kommentiert. Und der Gedanke, dass das nicht sein müsse, war mir noch gar nicht gekommen. Denn ‚Kritik‘, mindestens konstruktive ‚bringt einen ja weiter‘. Im Umkehrschluss heißt das ja, wir seien auf Kritik angewiesen, um zu wachsen. Das wollte ich wirklich wissen und fand die Antwort darauf! Mein Vertrauen wuchs, dass es etwas anderes geben müsse. Ich begegnete anderen, die sich auch mit dem Malort von Arno Stern beschäftigten. Und dann ergab es sich, dass in meinen Kursen am Museum zu der Zeit, ein Förderer einige Male mitkam, der die pädagogische Abteilung unterstützt hat. Ich hatte bereits angefangen, eine mehr und mehr dienende Haltung wie im Malort einzunehmen. Ihm fiel auf, dass die Atmosphäre bei mir anders war, was für mich sehr wertvoll war, weil ich an einem Ort der Kunstvermittlung war und meinen Umgang damit erst noch finden musste.  Es wurde also etwas spürbar, was ich vorher niemandem erklärt hatte. Das hat mich sehr ermutigt. Am Ende habe ich mit diesem Menschen und anderen, die hinzukamen, 2013 den Malort, zunächst als Der Malort e.V., gegründet. Acht Jahre lang haben wir dann den Verein gehabt. Diesen haben wir Corona bedingt Ende 2021 geschlossen. Und seither führe ich ihn, jetzt als Der Malort Düsseldorf, alleine weiter.

Caroline: Und du hast jetzt deinen Spielraum wieder …

Frauke: Genau. Die Erkenntnis, dass Spielraum für mich etwas Wesentliches ist, ist unglaublich hilfreich gewesen und bleibt das Kriterium für Entscheidungen. Das Malspiel gründet ja genau auf diesem Prinzip, wieder zu spielen, und zwar unserer ursprünglichen, natürlichen Fähigkeit zu spielen. Diese legen wir mit Schulentritt zu einem großen Teil ab, weil wir dann trennen: hier ist die Arbeit, das Lernen und nachmittags ist das Spielen.

Caroline: … Der Ernst des Lebens

Foto: privat
Foto: privat

Frauke: Genau, und mir das wieder zu erobern, war und ist ein sehr, sehr schönes fortdauerndes Abenteuer. Ich hatte das

Glück, in der Zeit, als ich auch die Ausbildung bei Arno Stern in Paris machte (2013), bei einer Kollegin drei Jahre lang selbst das Malspiel erleben zu können.

Im Vergleich zu meiner künstlerischen Tätigkeit, die mir viel Freude bereitet hat, war das noch einmal eine ganz neue Dimension. Und zwar des Erlebens vor allem. Im  künstlerischen Tun sehe ich rückwirkend eher eine lineare Entwicklung, mit Aufs und Abs, während ich das Malspiel als mehrdimensional empfand und empfinde. Ich entdeckte die Quelle  in mir die unerschöpflich ist. Bei der ich nicht darauf angewiesen bin, eine schöpferische Phase ‚ausnutzen‘ zu müssen oder auf einen Moment der Inspiration zu warten oder zu hoffen. Diese Quelle zu finden, aus der es endlos strömt und sprudelt. Ich bekam eine Ahnung von meinem, bzw. unserem menschlichen, ursprünglichen unermesslichen Potential. Das prägt seither meinen Weg noch viel stärker als früher, dem zu vertrauen, was mich begeistert. Und das haben der Malort, die Erfahrung des Malspiels, die Begegnung mit Arno Stern eröffnet.

Und dass das nicht nur schöne Träume oder Fantasien bleiben, sondern am Ende ‚zu etwas führt‘ („Davon kann man doch nicht leben!“), und dabei auch einen ‚Beitrag leistet‘, hat sich dann für mich beispielhaft in der Entstehung und Gründung des Malorts gezeigt. Nicht nur, dass dies allein auf wundersame Weise zustande kam, sondern darüber hinaus konnten wir als Verein auch über dreieinhalb Jahre ein Modellprojekt durchführen. So konnten wir im damaligen Verein sehr, sehr viel Erfahrung sammeln, mit mehreren Schulen und der Uni Köln kooperieren und nicht zuletzt in einem Film dokumentieren, der für jeden frei verfügbar ist.[1]


Foto: Simon Streiffels
Foto: Simon Streiffels

„ICH DIENE IHREM SPIEL“SELBSTSTÄNDIGKEIT UND DIE DIENENDE ROLLE IM MALSPIEL

Caroline: Du hast dich entschieden, mit dem Malort andere Menschen darin zu unterstützen, auch in das Malspiel hinein zu kommen. Da würde mich interessieren, wie du das genau machst. Wie du deine Dienende Rolle gestaltest? Was sich ja doch von unseren Erfahrungen ja leider doch unterscheidet und manche Menschen Hilfe brauchen von dir.

Frauke: Zunächst etwas zur ‚Dienenden Rolle‘. Ich bringe nichts bei, ich lehre nichts. Das hat für mich persönlich erst mal den wunderbaren Vorteil, dass ich unbeschwert bin. Außer dem Material muss ich nichts vorbereiten, nichts Inhaltliches. Ich muss niemanden prüfen, nichts abfragen, keine Aufgaben abverlangen. Das trägt dazu bei, dass ich den Menschen, die kommen sehr, sehr viel freier als vorher begegnen kann.

Ein Beispiel zur Wirkungskraft des Dienens

Frauke: Ein Beispiel, als ich in der Übergangsphase war und erst begann die dienende Haltung einzunehmen. Damals gab ich einen Kurs für Kinder zwischen 4 und 7 Jahren im Museum. Da war ein Mädchen, sie ging in den Kindergarten, die, so beobachtete ich, von Anfang an, üblicherweise mit der Hand durch das Gemalte fuhr und alles auf dem Blatt verschmierte. Aus meiner Sicht mit der Erfahrung des Malspiels ist das ein Verhalten zu dem Erwachsene das Kind eingeladen haben müssen, das ist kein natürlicher Vorgang beim Malen. Ich änderte nur mein eigenes Verhalten, indem ich anfing ihrem Spiel zu dienen. Zum Beispiel durch eine klare Struktur der Rahmenbedingungen, führte Sorgfalt im Umgang mit Material ein, und reichte ihr Benötigtes an. Ich folgte ihrem Tun dadurch auf ganz andere Weise, war mehr bei ihr und fühlte eine viel größere Verbundenheit und Erfüllung als vorher, als ich ihre ‚Produkte‘ noch als Künstlerin betrachtete. Sie malte plötzlich ganz klare spontane Striche auf ihr Blatt. Darüber müssen wir noch genauer sprechen: es erschienen Gebilde der Formulation.*[2]  Anfangs schien sie das zu irritieren und beinahe zu erschrecken und sie verschmierte diese klaren Dinge schnell wieder. Mein Eindruck war, dass es ungewohnt für sie war, dass etwas aus ihr heraus geschah, was sie nicht ‚machte‘, wie sie es gelernt hatte, sondern das aus ihr einfach herausfloss. Nach und nach ließ sie es mehr und mehr zu und malte immer öfter spontan und verlangte seltener Bestätigung von mir. Dennoch war ich ja da und mit ihr, eben als ‚Dienende‘.

Mich befreite das von meiner ‚Last‘, sie durch ständige künstliche Rückmeldung oder Bestätigung stärken zu wollen, die sie vorher verlangt hatte. Durch das Dienen scheint sich im anderen etwas viel leichter zu öffnen, und das wird für beide Seiten dann auch spürbar.

Früher gab ich den Kindern oder Erwachsenen Ideen an die Hand. Zwar in der Absicht, ihr Eigenes zu machen, Aber die Idee stand dann zwischen ihnen und mir. Jetzt ist das anders. Ich habe auch ohne Worte durch meine Rolle einen viel direkteren Draht zu den Malenden. Und sie sind jetzt wirklich frei zu ihrem oder besser zu sich zu kommen. Das ist ein ganz zentraler und beglückender Unterschied.

Die dienende Rolle in der Praxis

Frauke: Und wie ist das jetzt ganz praktisch mit der Dienenden Rolle im Malspiel? Also ich befestige z.B. das Blatt Papier eines jeden Malenden mit ersten zwei Reißzwecken an der Wand. Im Laufe des Spiels versetze ich dann Reißzwecken auf dem Blatt an der Stelle, wo gemalt wird. Ich mache den Weg für die Pinselspur frei. Gleichzeitig spüren die Malenden, dass ich aufmerksam bei ihrer Sache bin. Sie wissen, dass ich sehe, was sie tun, jedoch nicht als Betrachterin oder Kritikerin, sondern alleine im Dienste ihres Malflusses und ihrer Freude. So kommt es auch nicht dazu, dass mich Kinder rufen müssen, um ein Lob von mir zu erhalten. Die Reißzwecken, nicht die Bilder, dienen hier also der Kommunikation. Manchmal macht es Kindern Spaß, mich ein bisschen hin und her zu schicken, von der höchsten Leiter aus, um auszuprobieren, wie weit meine Bedienung reicht …Zwischen 6 und 15 Personen sind in einer Malstunde anwesend. Ich bin also ständig in Bewegung. Ich fülle die Farbschälchen am Palettentisch nach, ich wasche Pinsel aus, die in eine andere Farbe getunkt wurden. Wenn jemand eine gemischte Farbe will, dann mische ich sie nach Wunsch. So bleibt alles in Bewegung, bzw. im Fluss.

Caroline: Man mischt die Farben nicht selbst?

Frauke: Ja, noch eine überraschende Sache! Das führt z.B. dazu, dass jeder sich über seine

Bedürfnisse sehr bewusst wird. Die  Mal-Bedürfnisse sind am Anfang sehr unbestimmt und werden mit der Zeit immer klarer und präziser. Das ist dann kein theoretisches Wissen, welche Farbe passt zur anderen, sondern ein Erfahrungswissen, das im Einklang mit den eigenen Vorlieben und Bedürfnissen steht und das sich nach dem eigenen Erleben richtet. In unserer Vorstellung bedeutet Farben selber mischen Selbständigkeit. Hier aber zeigt sich, sich Farben mischen zu lassen und seine Bedürfnisse frei benennen zu können und zu dürfen, führt zu einer wesentlichen Kenntnis und Bewusstheit dessen, was einen interessiert und begeistert. Das war für mich auch überraschend anfangs, dass Spontaneität mit Achtsamkeit und Bewusstheit einher geht. Sie ist nichts Zufälliges. Spontane Impulse kommen aus einer inneren Notwendigkeit. Daher ist es auch meine Aufgabe, alles Zufällige, Ablenkende fern zu halten, damit alle immer wieder ins Wesentliche eintauchen zu können. Dazu gehört das Anreichen von Hockern, wenn im oberen Bereich des Bildes gemalt wird. Oder das Heranbringen einer Leiter, wenn das Bild nach oben wächst.

Caroline: Kannst du noch etwas zum Wachsen der Bilder sagen?

Frauke: Das Blattformat ist 50x70cm. Wenn der Drang entsteht, größer zu werden, dann kann man größere Bildräume bauen, im Baukastensystem, also weitere Blätter anbauen. Jemand Erfahrenes weiß vielleicht schon zu Beginn der Stunde, dass er oder sie 2x3 oder vielleicht auch 6x5 Blätter braucht. Das heißt es kommt vor, dass jemand eine ganze Wand beansprucht, bis unter die Decke. Bei mir kann man dann bis 3m hoch malen. Und darüber hinaus, kann der Blattraum unendlich weiter wachsen, indem in der nächsten Stunde, ein Teil weggelassen und ein neuer Teil angesetzt wird. Eine Frau hat bei mir so zwei Jahre an einem Bild gemalt und bei Arno Stern hat ein Teilnehmer im Laufe seines Lebens ein 15km langes Bild gemalt. Das geht grenzenlos. Wie gesagt, ich bringe dann die Leitern und Hocker. So einen Hocker anzunehmen,  das fällt erst mal nicht jedem leicht. Vielleicht nehmen sie das aus einer Erfahrung heraus auf, als ‚sie hält mich wohl nicht dafür in der Lage, das alleine zu machen‘ oder ‚ich kann doch auf Zehenspitzen noch bis ins obere Eck meines Bildes reichen.‘

 

DIENEN ALS ERMÖGLICHUNG VON SELBSTÄNDIGKEIT UND  SELBSTBESTIMMUNG

Frauke: Und das ist das Thema Selbständigkeit, bzw. Selbstbestimmung. Das ist noch einmal ein großes Thema. Was führt zu Selbständigkeit und was führt davon weg? Mein Verständnis davon hat sich völlig gewandelt. Dass das Bedienen auf die Weise, wie es im Malspiel geschieht, sogar oder erst die Selbständigkeit und Selbstbestimmung fördert. Auch wenn ich allen Malenden Dinge abnehme. Caroline: Da möchte ich gerne nachhaken. Was du mit Selbständigkeit genau meinst. Und Bedienen sagst du, fördert die Selbständigkeit. Obwohl ich weniger Sachen selbst mache?

Frauke: Ja, ganz genau.

Caroline: Warum ist das so, warum machst du das?

Frauke: Es geht an diesem Ort ja darum, dass jeder zu sich kommt und das ausdrücken kann, was von innen heraus notwendig ist. Wir sind das so wenig gewöhnt heute, aus uns heraus etwas zu tun, ohne Auftrag von außen, dass das sehr lange dauern kann, bis wir da wieder sind. Und ich mische mich in diesem Prozess ja nicht in die Inhalte ein.  Das bleibt jedem selbst überlassen. Das ist das, was jeder hier für sich entdecken kann, ist, was begeistert mich denn, was interessiert mich. Das ist ein unangetasteter Bereich im Malspiel, der Blattraum. In das, was da von Innen heraus auf das Blatt fließt, da mischt sich keiner ein. Hingegen mische ich mich durchaus ein, wie das Material benutzt wird, wenn ich sehe, dass es davon wegführt, also von dem Spontanen, vom Spielen. Wenn jemand nicht ins Spielen kommt, weil  Vorstellungen und Gewohnheiten im Weg sind. Oder weil sein Verhalten, unachtsam mit den Pinseln umzugehen, das Spiel anderer stört. Das ist natürlich mein Erfahrungswissen. Und das Wissen um die Formulation, darüber müssen wir noch sprechen. Sie gibt mir Orientierung für mein Handeln. Man könnte ja argumentieren, woher weißt du, was ablenkt und was nicht? Das hängt damit zusammen, mit diesem Wissen.

Caroline: Also diese Regeln und dieses Bedient-Werden führen dazu, dass ich mehr auf mein Inneres schaue und das ermöglicht dann die sogenannte Formulation.

Foto: Frauke Ratzke
Foto: Frauke Ratzke

„DIE MUTTERSPRACHE DES MALORTS“ (ARNO STERN) DIE FORMULATION: BESCHREIBUNG & ENTWICKLUNGS-PHASEN

Caroline: Könntest du zur Formulation noch etwas erzählen?

Frauke: Von der Formulation muss der Malende nichts wissen. Er kann es wissen, das stört nicht, vor allem, weil es kein rein intellektuelles Wissen ist. Das ist etwas, was Arno Stern über Jahrzehnte beobachtet hat, über Jahrzehnte. Ein Beispiel, das wir alle kennen: Kinder malen immer wieder das typische Haus mit dem spitzen Dach. Und als Künstler oder Lehrer denken wir vielleicht, wir sollten das Kind anregen, die Welt zu sehen, wie sie (in unseren Augen) wirklich ist; hier in der Stadt gibt es solche Häuser gar nicht. ‚Guck doch mal hin, solche Dächer gibt es nicht!‘ oder ‚Setz den Schornstein gerade, der steht ganz schief!‘ Arno Stern hat alles, was Kinder immer wieder gemalt haben, beobachtet, ohne die Idee, sie da zu beeinflussen. Er hat gesehen, wie es aus ihnen herausgeströmt ist. Dabei war es sein Kapital, ohne Vorwissen, offen und unbefangen auf die Dinge zu schauen. Ohne Konzept, wie das sein sollte, oder was wir Kindern beibringen müssen. Auf diese Weise hat er 500.000 Bilder gesammelt. Seine Vermutung war, dass es in uns angelegt sei. Um das zu überprüfen, ist er in den 60er Jahren in Länder gereist, wie Lateinamerika, Afrika, Afghanistan u.a.. Er hat Naturstämme aufgesucht, bei denen es zu dem Zeitpunkt noch keine Schule gab. Er wollte sehen, ob das, was Kinder bei ihm in Frankreich malen, etwas Kulturelles oder etwas Universelles ist. Tatsächlich malten die Kinder dasselbe, wenn auch dieselbe Form etwas Unterschiedliches darstellte. Z.B. die erwähnte Hausform war dann mit einem Kopf oben drauf und Beinen und Armen daran, ein Mensch. Die Formen waren dieselben, aber was sie darstellten, war etwas anderes. Das war für ihn die Bestätigung, dass wir diese Dinge, also z.B. was dargestellt ist, nicht mit den Kindern besprechen sollen [3]. Weil sie aus einem tiefer liegenden Drang entstehen, als aus einem bewussten Vorhaben, einer Absicht. Wenn wir nun sagen: ‚Ah, malst du ein Haus?‘ oder womöglich: „Du malst gerne Häuser, nicht wahr?“ das Kind daraus schließt, es müsse etwas Erkennbares oder Erklärbares malen. Damit ist es nicht mehr frei, spontan diesem tieferliegenden Drang zu folgen, z.B. die Hausform in einem anderen Zusammenhang neu ‚einzukleiden‘, wie Arno Stern das nennt, z.B. als Figur. Es identifiziert sich nun nach außen mit einer Defnition und ist dann blockiert, den kreativen Prozess auszuschöpfen und das geschehen zu lassen, was von Innen heraus entstehen will. Deswegen wird hier gar nicht über die Bilder gesprochen.

Caroline: Und die Formulation entwickelt sich vom Kindesalter an und erweitert sich dann wahrscheinlich über die Zeit und ist dann bei Erwachsenen und Jugendlichen ungefähr gleich ausgeprägt?

Frauke: Es gibt vier Entwicklungsphasen: 1. Es gibt die ersten Spuren, die aus der Motorik des kleinen Kindes enstehen: durch Klopfen oder Kreisen auf dem Papier, sogenannte Giruli und Punktili. und 2. die Erstfiguren. Ein Beispiel ist hier die ‚Strahlenfigur‘, die wie eine Sonne aussieht. Arno Stern gab diesen Namen, weil es u.a. bei den jüngsten Kindern gar nicht diese darstellende Bedeutung hat. 3. Dann kommen die Bilddinge, die Kinder malen. Wo sie ja durchaus Dinge abbilden und inszenieren – Schiff, Haus, Baum, Blume usw. Damit legen sie sich ihre Welt an. Genau solche Inszenierungen wie wenn ein Kind mit einer Puppenstube spielt oder sich mit Autos oder Bauklötzen auf dem Teppich ausbreitet und spielt. So inszenieren sie auf ihrem Blatt ihre Welt, bzw. erkunden die Welt. Bei Jugendlichen wächst in der Regel das Bedürfnis, Dinge im Detail wiederzugeben. Dazu sind sie ohne Vorgaben in der Lage. Dann malen sie eine Zeit lang Dinge sehr, sehr präzise, wie sie sie in der Wirklichkeit sehen. Beim Erwachsenen verliert sich dieses Bedürfnis, gegenständlich zu malen immer mehr, und die Gebilde auf dem Blatt werden organischer. 4. Das sind die sogenannten Hauptfiguren.

Caroline: So läuft es grundsätzlich ab?

Frauke: Ja, bei zuerst sehen wir immer de motorischen Spuren, dann Erstfiguren, danach Bilddinge; und später, nach und nach immer organischere Gebilde, die Hauptfiguren.


EINFACH NUR SPIELEN? BLICK AUF DIE MALENDEN IM MALORT: ENTWICKLUNGEN UND HERAUSFORDERUNGEN BEI KINDERN UND ERWACHSENEN 

Caroline: Und da malen ja auch Kinder und Erwachsene über einen längeren Zeitraum im Malort. Und da wir auch über die Formulation gesprochen haben. Siehst du da auch Entwicklungen, wenn jetzt da jemand mehrere Jahre bei dir malt?

Frauke: Auf jeden Fall! Erst mal sehe ich, wie sich die Haltung verändert; die Sicherheit mit der jemand malt. Wie die Menschen in den Malort reinkommen, die Selbstverständlichkeit mit der sie malen und geschehen lassen. Ohne die Sorge, ‚Ich weiß nicht, was ich malen soll.‘ Die Selbstverständlichkeit zeigt sich andererseits auch darin, dass Leute länger an einem Bild dran bleiben. Man kann ja auf einem großen Blattraum aus vielen Blättern malen. Und das über viele Malstunden hinweg. Erfahrene kommen in der nächsten Malstunde wieder und gehen ohne Zögern, ohne zu überlegen gleich zu ihrem Bild, das schon für sie da hängt und tauchen gleich den Pinsel ein. Da gibt es keine Frage mehr, wie es da weiter gehen soll. Es fällt auch das Zurücktreten weg. Da hier ja kein Werk geschaffen wird, über das man reflektieren oder das man verbessern müsste. Die Malenden sind im Fluss. Ob jemand zwei Jahre an einem Bild malt, oder jedes Mal ein neues anfängt, das entwickelt sich je nach persönlichen Bedürfnissen und Eigenheiten.

Caroline: Gibt es da Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen, die du als typisch benennen würdest oder ist es individuell?

Frauke: Sehr junge Kinder malen mehrere Blätter in einer Stunde und Erwachsene malen viel länger an einem Blatt. Bei Kindern entwickelt sich auch nach und nach das Bedürfnis und die Ausdauer, länger an etwas dran zu bleiben. Oder mal ein großes Format auszuprobieren, bei dem man auf der Leiter steht. Zum Beispiel hat ein Junge mal eine große Baustelle gemalt. Das begann alles mit einem großen Kran, der über neun Blätter nach oben wuchs. Damit begann ein sechs wöchiges Abenteuer, bei dem er eine ganze Wand im Raum ‚besetzt‘ hat und immer weiter nach rechts Blätter angebaut hat (links habe ich vor jeder Stunde eine Reihe wegnehmen sollen.)

Caroline: Ich dachte auch daran, was die Außenwelt mit Menschen macht. Wie leicht sie wieder in das Malspiel finden. Macht es einen Unterschied, wenn jemand schon eine ganze Schullaufbahn hinter sich hat oder eben noch keine Schulerfahrung. Gibt es da Auswirkungen von außen, die das Malspiel auch beeinflussen?

Frauke: Wir denken ja oft, Kinder haben es leichter mit der Spontaneität, das trifft nicht unbedingt zu. Sie haben es fast durch die Bank schwerer, weil sie in noch mehr Kategorien eingezwängt sind. Die Schule mit Betreuung dauert bis in den Nachmittag hinein. Die alltäglichen Belastungen sind hoch, manche Kinder haben jeden Tag ein anderes Angebot zusätzlich und viele davon sind mit Leistung verbunden. Da ist wenig Raum zum Spielen. In den Nachmittagsstunden merke ich das sehr; wenn Kinder in den Kindergarten kommen und noch mehr, wenn sie in die Schule kommen, dann ist viel weniger Energie da und der Kopf ist voll. Dann fließt es nicht mehr wie früher auf das Papier. Nun wieder die Verbindung zu ihrem inneren Antrieb aufzubringen, etwas begeistert aus sich heraus zu tun, ohne Aufgabe, fällt ihnen offensichtlich schwerer, ist nicht mehr so unbefangen. Und das Bewerten kommt hinzu. Mit dem Kindergarten- und Schulstart – dort sind sie überwiegend mit Gleichaltrigen zusammen – beginnt das Vergleichen. Ich bemerke dann hier viel Verwirrung. Im Malort legt sich das nach einer Weile wieder, auch abhängig davon, wie lange ein Kind vorher schon am Malspiel teilgenommen hat. Dennoch bleibt oft ein deutlich spürbarer Unterschied zu vorher. Die Fähigkeit sich dem Spiel hinzugeben und die Welt um sich herum zu vergessen, nimmt ab. In diesen Fällen dient der Malort hauptsächlich dazu, die Spielfähigkeit zu bewahren, während das volle Potential, das hier möglich ist, noch lange nicht ausgeschöpft wird.

Erwachsene haben den Vorteil, dass sie bewusst diesen Schritt tun. Und sich dann bewusster auf das Geschehen einlassen können. Andererseits haben wir Erwachsenen natürlich auch viele Vorstellungen und Konzepte im Kopf und tun uns schwer damit, diese loszulassen. Das ist ja intellektuell nicht vermittelbar und wir müssen im Grunde etwas verlernen. Das kann herausfordern.



Foto: Frauke Ratzke
Foto: Frauke Ratzke

VOM WERT DER GRUPPE BEIM MALSPIEL

Frauke: Das Schöne im Malort ist, sobald ein, zwei Leute in einer Gruppe, ganz gleich welchen Alters, sich ganz vertiefen und eintauchen, sich das sofort auf die anderen auswirkt und ansteckt. Du erlebst das ja selber. Vielleicht kannst du dazu etwas sagen, wie das ist, wenn da andere neben dir stehen und vertieft malen.


Caroline: Ja, ich bin ja auch in einer festen Gruppe, die immer gleich ist, mit  denselben Malenden. Ich habe da einmal eine große Inspiration gehabt von einer Malspielenden, die ganz achtsam ihren Pinsel immer in das Wasser und in die Farben getaucht hat. Vorher hattest du mich auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich meinen Pinsel  am Rand immer abstreife. Das habe ich bis dahin immer gemacht. Und durch die andere Person, die das ganz liebevoll, achtsam und behutsam tat, hat sich mein Umgang mit dem Palettentisch und mit dem Farbe-Nehmen sehr verändert. Das ist auch dieses Gemeinsame; weil man sich das Material teilt. Das macht ganz viel aus.

Frauke: Und kannst du sagen, was dieser liebevolle achtsame Umgang, den du beschreibst, verändert hat für das Malen?

Caroline: Das hat mich verlangsamt. Das hatte ich auch letzte Woche mit meinem Sohn. Das ist immer die Sauseschritt-Zeit – das ist ein Zitat aus einem Buch – also, dass viel Tempo draußen ist, und im Malort gibt es eigentlich keine richtige Zeit. Das heißt, es ist Zeit für alles da. Und da es bei uns im Alltag auch sehr schnell geht, gehen muss, ist es für mich doch schwierig, in diese Langsamkeit zu kommen. Und das war, warum ich da eine große Inspiration sehe. Es ist ja Zeit da, ganz langsam, ganz achtsam, mit voller Aufmerksamkeit nur bei diesem Nehmen der Farbe zu sein. Und das dann eben auch mitzunehmen in das Bild. Dann zu sagen, das ist jetzt mein Thema; ich male jetzt an diesem Bild, ich habe Zeit dafür. Ich kann das langsam machen. Und ich schenke diesem Prozess die Aufmerksamkeit. Und nicht mehreren Dingen gleichzeitig.

Frauke: Ja, das kann ich hier noch ergänzen: das Eintauchen des Pinsels ist ein wesentlicher Bestandteil des Spiels, nicht weniger wichtig, als das Malen auf dem Blatt. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, früher hätte das Bild, das Ergebnis die größte Priorität und das Eintauchen war dann vergleichsweise uninteressant, ich tat es nachlässig, in Gedanken schon bei meinem nächsten Schritt auf dem Papier. Wenn ich jedoch diesen Kreislauf von der Wand, wo mein Blatt hängt, zum Palettentisch, wo die Farben sind und zurück, als Ganzes sehe, dann tauche ich in eine ganz andere Dimension des Erlebens ein. Die Weisheit des Körpers ist dann mit im Spiel, mit einbezogen. Spontaneität bedeutet auch im Einklang sein, mit Gespür und mit hoher Effizienz zu handeln, also ohne unnötige Bewegungen. Nicht zu viel, nicht zu wenig Wasser und Farbe mit dem Pinsel aufnehmen.

Caroline: Ja, und dabei war für mich dieses Vorbild wichtig. Du hast nicht gesagt: „Du machst das jetzt mal achtsam!“, sondern ich habe  einfach gesehen, wie es jemand gemacht hat und dachte: Ja! So kann man es auch machen!“ Das war für mich dann die große Hilfe.

Frauke: Der Umgang mit dem Material kann anfangs eine Hürde sein, weil er an so vielen Gewohnheiten und Konzepten rüttelt. Und teilweise bemerken wir es gar nicht. Der eine fühlt sich in seiner Freiheit eingeschränkt oder in seinem „Prozess“ gestört. Dieses Wort z.B. wähle ich für das Malspiel selbst nicht. Das stammt aus einem künstlerischen Verständnis von Vorgängen. Eher spreche ich von „im Fluss sein“, von „fließen“ oder „geschehen lassen“.

Caroline: Im Spiel …

Frauke: Genau! Im Spiel sein, verbunden sein, spontan! Und eben nicht im Kopf sein, mit dem Verstand steuern wollen. Das fällt uns ja eher schwer…

BEWEGGRÜNDE FÜR DIE ANMELDUNG IM MALORT

Caroline: Ja! Ist das auch der Grund, warum Menschen hier herkommen? Weil sie eben sagen, ich möchte mehr in Verbindung kommen mit mir. Weißt du etwas über die Gründe, warum sich Menschen anmelden oder ihre Kinder?

Frauke: Eltern melden Kinder oft an, weil sie etwas anderes wünschen, als sie es selber erlebt haben. Viele haben schlechte Mal-Erfahrungen gemacht. Sie möchten Kindern hier einen neuen Weg ermöglichen und ihnen die Freude am Malen erhalten. Es gefällt ihnen die Bewertungsfreiheit und dass ihnen keine Vorgaben gemacht werden. Es scheint ihnen auch Sicherheit und Orientierung zu geben, dass es einen Ort gibt, an dem bereits solche Erfahrungen gemacht wurden. Viele Eltern wünschen sich eine Haltung, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert.

Die Erwachsenen haben in der Regel irgendwo davon gehört, und sich mit dem Thema beschäftigt. Und hätten sich ohne die Sicherheit der Bewertungsfreiheit nicht ans Malen gewagt. Malen sei nur etwas für Begabte, dachten manche bis dahin. Andere haben schon vieles ausprobiert, sind lange schon künstlerisch tätig und stießen an Grenzen.  Und natürlich gibt es einige, die es aus Neugierde kennenlernen wollen, weil ihr Kind damit beginnt oder einfach, weil sie es attraktiv finden, auf diese Weise in einer gemischten Gruppe mit anderen zu malen. Es ist auf den ersten Blick, nicht jedem ersichtlich, worum es mit dem Malort eigentlich geht, der all unsere Gewohnheiten auf den Kopf stellt, geschweige denn das Potential erahnen, was darin steckt. Und dann haken sie ihn ab: „Das ist nichts für uns!“  Alle die herfinden sind auf irgendeine Weise offen dafür, haben davon gehört und sind bereit für eine neue Erfahrung. Spüren eine Sehnsucht. Für mich ist es wichtig, dass sich die Menschen auf etwas einlassen können. Das betrifft dann auch die Einstellung von Eltern dem Kind gegenüber. Wird das Kind jede Woche gefragt, ob es Lust hat zu malen, dann wird das Kind bei dieser Frage stecken bleiben. Die Lust ist nicht das Wesentliche. Natürlich ist Malen auch etwas Lustvolles. Was in uns steckt ist allerdings nicht davon abhängig, dass wir jetzt gerade Lust haben. Es braucht viel mehr den beständigen Ort, wo, wie du eben selbst beschrieben hast, endlich mal Zeit ist, in Berührung zu kommen mit dem, was von innen aufsteigen will. Unsere Kinder haben auch so viel Programm, dass sie ebenfalls, wie wir, Zeit brauchen, um anzukommen oder diesen Wechsel zu bewältigen; hier funktioniert es so und da so. Das ist manchmal ein ungeheurer Sprung. Dort musst du funktionieren, aber hier darfst du jetzt mal frei sein. Das ist nicht unbedingt einfach. Caroline: Und da sagst du, hilft es, wenn man das entscheidet für die Kinder, dass sie mitkommen in den Malort, auch wenn sie sagen, heute habe ich keine Lust. Sondern die Frage gar nicht erst zu stellen. Frauke: Ja. Ein Beispiel: ein Kind wird in die Schule geschickt, da entscheiden die Eltern, wir schicken dich in die Schule (das ist die Entscheidung, der Schulpflicht nachzukommen). Und dann ist häufig die Einstellung: aber wenigstens nachmittags soll das Kind selbst entscheiden. Aus meiner Sicht braucht es, wenn man sagt; dorthin (in die Schule musst du), umso mehr Klarheit, um den Kindern daneben Freiräume zu schaffen. Sonst reagiert man nur gegen etwas, was man ‚muss‘ und gelangt gar nicht in einen Freiraum. Diese Klarheit funktioniert nur, wenn es ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind gibt. Am Ende wird hier keiner zum Malen gezwungen. Es sollte jedoch nicht jede Woche eine Verhandlung darüber geben, ob man nun zum Malort geht oder nicht. Über Ausnahmen sprechen wir jetzt gar nicht.

BRAUCHT ES ‚LUST‘ ZU MALEN? MALORT-HERAUSFORDERUNGEN FÜR MALENDE: ZUM MALORT GEHEN ODER NICHT? (EIN FALLBEISPIEL VON CAROLINE) Frauke: Vielleicht können wir auf das eingehen, was wir gerade zusammen erlebt haben? Vielleicht erzählst du das?

Caroline: Du meinst, als mein Sohn nicht zum Malort gehen wollte? Ja, wir hatten, jetzt nach der längeren Sommerpause, ein Jahr lang kommen wir jetzt zum Malspiel, und ich glaube, dass es mit dieser längeren Pause zusammenhing, dass wir gehört haben: „Ich möchte nicht zum Malort!“ Und gerade dann, wenn es um das Losgehen ging. Samstagvormittag, wo wir gemütlich zusammen zuhause sind, auch nach einer anstrengenden Woche, da kommen wir endlich als Familie zusammen. Und da hörten wir: „Ich möchte nicht gehen!“. Ich war da nicht so ganz klar, weil ich den Gedanken hatte, das soll ja freiwillig sein. Ich wünsche mir natürlich, dass er da gerne hingeht. Und eigentlich habe ich mir gewünscht, dass er sagt: „Ich will jetzt in den Malort!“ Ich war gleichzeitig sehr unzufrieden damit, dass er nicht gegangen ist. Weil ich auch sehe, wie gut ihm das tut. Und vom Gefühl her, war ich  nicht bereit für ein Nein. Eigentlich war es keine Option. Das hat dann dazu geführt, dass ich allein gefahren bin und unzufrieden war mit der Situation. Wir (Frauke und ich) haben dann darüber gesprochen, dass ich das mit einer Klarheit lösen kann, indem ich einfach sage: du gehst mit in den Malort. Das machen wir ab jetzt. Das ist eine Vereinbarung, die wir, Mama und Papa, für dich getroffen haben. Das ist nicht so, dass du mal gehst, wenn du Lust hast und nicht wenn du keine hast, sondern du gehst jede Woche. Und malen brauchst du nicht.

Frauke: Hast du ihm das denn so mitgeteilt? Dein Sohn ist ja vier.

Caroline: Wir gehen dahin, das haben wir vereinbart, und du brauchst da nicht zu malen. Da gehst du mit, das ist mir wichtig. Frauke: Und wie ich das verstanden habe, hat dass er zuhause geblieben ist, auch eure anderen Absprachen durcheinandergebracht. Es musste ja umorganisiert werden. Dein Mann geht zu dieser Zeit mit dem Jüngsten einkaufen.

Caroline: Ja, genau.

Frauke: Ich will damit sagen, es sind noch mehr Leute betroffen, von den Entscheidungen und als Eltern geht es ja auch darum, die Bedürfnisse aller im Blick zu haben. Deshalb ist es wichtig zu schauen, woran es liegt. Es kann natürlich immer mal Gründe geben, dass man sagt, es geht heute einfach nicht. Wir können nicht pauschal für alle Situationen sprechen. Allerdings gibt es eine Tendenz, dem Kind eine Verantwortung zu überlassen, an einer Stelle, wo das nicht sinnvoll ist und es überfordert. Wir verlangen dann vom Kind, dass es über die ganze Familie bestimmt, was eigentlich unsere Aufgabe als Eltern ist.

Caroline: Ja!

Frauke: Während die Selbstbestimmung auf dem Blatt, da mischt sich niemand ein…und das war das überraschend Freudige, was sich bei deinem Sohn sofort beim Malen wieder eingestellt hat…wie unglaublich diese Klarheit geholfen hat.

Caroline: Ja, nachdem ich das gesagt hatte und ich brauchte dazu selbst diese absolute Klarheit, dass ich, wenn ich sage: wir gehen da zusammen hin, das Richtige tue und ihm nicht schade, ihn zwinge oder so. Dass es eigentlich eine Ermöglichung ist, das zu sagen, Und das war es dann ja auch tatsächlich. Dass er sich sehr von mir gelöst hat. Oft malt er direkt neben mir. Und er hat dann an einer ganz anderen Wand gemalt und riesengroß, vier Blatt hoch mit der Leiter, und sich wirklich ganz frei gefühlt hat. Und er hat sich selbständig und frei geäußert, um dich um Hilfe zu bitten, bei vielen Sachen, um mit dir in Kontakt zu treten und mit den anderen Malenden. Das habe ich gesehen, dass er da frei und unabhängig ist. Und eben auch von mir. Das war eine ganz neue Erfahrung. Frauke: Ja, das war wirklich erstaunlich, wie eng das da verknüpft war und sichtbar wurde. Du hast das auch nochmal genau beschrieben. Es geht nicht um Zwang. Sondern um Klarheit…und um Führung, um Orientierung. Wenn du weißt,  das ist gut für meinen Sohn‘. Und es gibt ein bestätigendes Gefühl (für die Richtigkeit der Entscheidung), wenn das Kind sich entspannen kann. Das stelle ich immer wieder fest.

Caroline: Für mich war hilfreich zu wissen, er braucht ja da auch nicht zu malen. Aber er geht erst einmal mit, und was er dann dort macht, das ist seine Entscheidung. Ich zwinge ihn dann ja nicht dazu, etwas Bestimmtes zu malen. Er geht nur mit. Das ist der Rahmen, den ich vorgebe. Mehr gebe ich nicht vor. Er kann sich dann dort…naja, verhalten wie er will…da gibt es natürlich auch wieder Grenzen. Es ist nicht so, dass er dann malen muss. Er kann auch mitkommen und dann im Vorraum bleiben. Das Gleiche haben wir auch mit der Dauer gemacht. Dass wir 60 Minuten malen. Auch das war ein guter Zeitraum für uns, das Malspiel zu ermöglichen. Dies hat auch sehr geholfen, die Diskussion, gehen wir jetzt oder was passiert jetzt, zu beenden.

Frauke: Es geht ja andererseits schon darum, dass du sagst, wir gehen jetzt in den Malort, um zu malen, wenn er dann nicht malen will, ist es etwas anderes und in Ordnung. Aber auch das würde ich vorher nicht zur Wahl stellen. Solange du klar hast, dass es okay ist, wenn er dann am Ende nicht malen will. Erst mal traue ich es ihm zu, dass er doch noch ins Spiel hinein  findet, auch an Tagen, wo Widerstand da ist. Es ist ja nicht so, dass jetzt alle Optionen offen sind, dort zu tun, was er will.

Caroline: Wir nehmen kein Spielzeug mit, zum Beispiel.

Frauke: Ja, das möchte ich an dieser Stelle auch nochmal verdeutlichen. Das während der Stunde nichts anderes im Raum stattfindet, weil sonst das Malspiel nicht geschehen kann.

VON DER ANSPANNUNG ZUR ENTSPANNUNG MALORT-HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIENENDE: EIN FALLBEISPIEL VON FRAUKE

Frauke: Ich möchte noch ein eigenes Erlebnis ergänzen, das hier zu passt. Wo ich erstmal auf meine eigenen Bedürfnisse geguckt habe. Denn auch als Eltern, erst wenn ich mir meiner Bedürfnisse bewusst bin und weiß, was ich brauche, erst dann kann ich auch aus dem Vollen schöpfen und meinem Kind oder bei mir jetzt im Malort den Menschen mit meiner vollen Kraft und meiner vollen Klarheit begegnen. Nicht, solange ich in Unklarheit oder in Unsicherheit verharre. In meinem Erlebnis ging es um einen Zehnjährigen, der immer wieder um den Tisch rannte, und ich gefühlt hinter her. Wie ein Wolfsjunges, ein kleiner Rudelführer hat er die anderen zu etwas angestiftet. Er malte auch sehr gerne, dennoch war es oft herausfordernd für  mich, in die Stunden mit ihm Ruhe zu bringen. Er machte z.B. abfällige Bemerkungen über andere.. Ich wollte also etwas tun. Nach mehreren vergeblichen Versuchen kam ich auf die Überlegung, wo beginnt das eigentlich? Wo beginnt meine eigene innere Anspannung? Und das war, als ich ihn draußen kommen hörte!  Und ich  begriff, warum ich die ersten Anzeichen von Anspannung übergangen hatte! Es waren Gedanken wie: „Ich möchte hier ja Freiraum geben, nicht einengen oder reglementieren.“ Erst indem ich mir erlaubte, diesem ersten – noch kleinen, jedoch wahrnehmbaren – Signal meines Körpers zu vertrauen, war es ganz leicht, von hier aus zu beginnen, die Situation zu ändern. Nicht erst, wenn er im Raum war und die Spirale des Konfliktes sich schon hochgedreht hatte. Denn er war dann im Vorraum schon laut und meine Anspannung erhöhte sich entsprechend. Ich wappnete mich! In diesem Fall nahm ich folgende konkrete Änderungen vor: Die Frau, die ihn von der Schule brachte, mit der ich im Austausch war, bekam einen Schlüssel, so musste nicht mehr geklingelt werden und sie sorgte auf dem Weg und im Vorraum für einen klaren ruhigen Ablauf. Sie hat dann am Eingang des Malraumes mit ihm zusammen gewartet bis ich Zeit hatte, ihn an der Tür zu empfangen und kurz Blickkontakt mit ihm aufzunehmen. Dann führte ich ihn, mit meinen Händen auf seinen Schultern zum Papier. so dass er keine Gelegenheit hatte, etwas anderes zu tun. Dies ist keine pauschale Sache – bei diesem Jungen hatte es diese Form, bei einem anderen Kind würde ich es ganz anders machen – hier kommen Erfahrung und Intuition ins Spiel.

Caroline: Er brauchte sehr viel Präsenz von dir.

Frauke: Genau! Es gab bis dahin keine sichere Verbindung zwischen uns. Ich führte ihn  ganz eng vom Papier zur Wand, dann zu den Farben und erst wenn er den Pinsel voll mit Farbe hatte zu malen begann, ließ ich ihn alleine weiter machen. All das fanden wir nicht an einem Tag heraus, das war ein Zeitraum von mehreren Wochen, änderte aber wirksam die Situation. Und zwar für die ganze Gruppe, für mich natürlich und besonders auch für ihn selbst. Denn ich sah, wie er sich viel mehr entspannte, nachdem ich nun der ‚Rudelführer‘ war. Und er malte viel mehr. Wobei die Situation herausfordernd blieb, aber es war kein Vergleich zu vorher!Und, um es nochmal zu betonen, das ‚nur‘, weil ich meinen eigenen Signalen vertraut hatte, statt mir Gedanken über Diagnosen und was alles mit dem Jungen nicht stimmte zu machen.

Caroline: Also die Lösung ist individuell, nur eben ganz grundsätzlich bei sich selbst hinzuschauen, wo und wie es anfängt und dann schauen, was man machen kann.

Frauke: Die praktische Lösung kommt von selber, das ist meine Erfahrung. Also erst mal die Erlaubnis…Wir haben oft den Gedanken, ich kann nichts machen, weil mit dem anderen stimmt ja etwas nicht. Der hat ja dies …und die Eltern … usw … Das hatte ich alles durch, bis ich dann bei mir gelandet bin. Ich kann all diese Urteile weglassen. Ich muss da gar nichts analysieren, ich brauche keine Diagnose, was mit dem Kind ist. Ich gucke, was ich brauche. Es könnte auch heißen, ich bin mit der Situation überfordert, dann brauche ich Unterstützung oder ich kann mit ihm nicht in der Gruppe arbeiten, i c h schaffe das nicht. Erst wenn ich meine eigenen Bedürfnisse erkenne, kann ich auch für andere voll präsent sein. Es war auch so, dass ich es dem Jungen gar nicht zugetraut habe, sich in der Gruppe so zu verhalten, dass eine angenehme Atmosphäre entsteht. Mit der Vorstellung im Kopf: er kann das halt nicht. Dabei hatte ich ja gesehen, dass er zeitweise sehr vertieft in seinem Malspiel war und begeistert. Das war für mich sehr eindrücklich, wie sehr sich die Situation verändern ließ.

Caroline: Und das hat sich dann auch so entwickelt, dass er …

Frauke: Ja, das brauchte immer wieder Aufmerksamkeit, es blieb eine Herausforderung, aber im Vergleich zu vorher, war das eine Verbesserung nach meinem Empfinden von 80% weniger Anspannung und viel mehr Entspannung.


Caroline: Wenn ich das so höre, dann denke ich, dass du so als Malort-Dienende ein bisschen mehr Aufgaben hast. Du bist vielleicht auch die Malort-Führende. Und auch das Thema, das wir hatten; Beratung für Eltern. Da sind noch mehr Aufgaben mit verbunden, die im Malspiel selber nicht so wichtig sind.


Foto: Der Malort Düsseldorf
Foto: Der Malort Düsseldorf

ZUR BEDEUTUNG VON REGELMÄSSIGKEIT & KONTINUITÄT IM MALSPIEL

Frauke: Das mag auch meine individuelle Herangehensweise sein. Orientierung geben mir ja die Spielregeln. Wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden können und infolgedessen das Spiel also nicht wirklich stattfinden kann, dann überlege ich, wie ist es möglich, das zu vermitteln oder woran fehlt es… Es geht mir nicht um ein starres Durchsetzen, es ist ja Bewusstsein und Bewusstwerden damit verbunden. Da kann ich dann meine Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation  etc. einbringen. Ich habe mir z.B. auch angewöhnt, von Anfang an mit Eltern ins Gespräch zu kommen. Denn ich weiß natürlich, dass es bestimmte Hürden gibt, über die Kinder hinweg müssen. Kein Lob für die Bilder zu bekommen, ist für viele Kinder ganz ungewohnt. Wenn die Eltern selbst nicht mitmalen, bekommen sie ja gar nicht mit, was hier geschieht und was ihre Kinder erleben. Normalerweise erzählen Malkinder zuhause nicht so viel darüber. Das ist gar nicht in Worte zu fassen. Ich bin mir auch bewusst, dass das Neuland ist mit dem Malort.  Das ist im Grunde nicht erklärbar, sondern nur erlebbar. Ich wünsche mir, dass jeder das erleben kann und solange wie möglich. In den letzten zwei Jahren habe ich mich darauf konzentriert, was ich tun kann, damit die Leute wirklich erleben können, was im Malort möglich ist. Und sich einlassen können, auf das, was hier geschieht und so ungewöhnlich erscheint.. Durch unsere Art zu leben, gibt es so viel Ablenkung, so viele Angebote, dass nur wenige Leute anfangs ahnen, was es heißt, das Malspiel über einen langen Zeitraum zu erleben. Denn erst wenn viele Gewohnheiten abgelegt sind, fängt das Spiel so richtig an… Es erfordert heute schon Mut, sich oder seinen Kindern ein bisschen Zeit zum Spielen zu gönnen! Dabei ist das eine ungeheure Bereicherung für jeden. Die Menschen sind müde, dann bleiben sie nur eine halbe Stunde. Dann gelangen sie nicht in einen Zustand der Selbstvergessenheit und sind in Gedanken schon beim Nächsten.

Caroline: Das bringt mich zu einem anderen Punkt: Dadurch, dass die Bilder hierbleiben, sehen die Eltern natürlich auch wenig von dem was passiert … auf dem Papier.

Frauke: Ja, einerseits schon, andererseits sehen sie ja viel mehr auf das Kind dann. Wie es aus der Malstunde herauskommt. Da gibt es dann schon Rückmeldungen wie: meine Kinder sind nach der Stunde tiefenentspannt. Natürlich ist das nicht immer und nach jeder Stunde. Jedoch findet bei denen, die über längere Zeit teilnehmen und ins Spiel eintauchen eine deutliche Veränderung statt. Da ist mehr Zufriedenheit, Menschen kommen wieder mehr in ihre Mitte. Und auch, obwohl es ja ‚nur‘ einmal die Woche stattfindet. Was das für eine tiefgreifende Wirkung hat. Da ist die Kontinuität wichtig, um im Malfluss drin zu bleiben. Da kannst du vielleicht auch etwas zu sagen. Ich habe es selber auch erlebt. Einfach zu wissen, am Samstag gehe ich da wieder hin. Caroline: Ja, was mir hilft, ist dieses komplett Ritualisierte. Von Anfang an, dem Kittel anziehen. Dass ich merke, hier ist auch eine andere Zeit. Damit hat es ganz viel zu tun: mit Zeit haben. Die Geschwindigkeit des Lebens …und hier ist ja immer alles gleich. Und dadurch entsteht auch diese Zeitlosigkeit. Dieser Raum, der ja kein Außen hat. Es ist auch immer die gleich Gruppe. Manchmal auch einige Leute nicht oder so, aber es gibt dieses immer Wiederkehrende. So eine zyklische Zeitvorstellung, die da stärker ist als die lineare. Und dass die Zeit da sehr, sehr langsam vergehen darf. Oder gar nicht existiert.

Frauke: Und schlägt sich das dann auch in deinem Alltag nieder? 

Caroline: Ja, ich merke vor allem, dass ich achtsamer bin. Das ich da mehr hinschaue, welcher Sache ich Aufmerksamkeit schenke. Ob es mehrere sind oder eine. Dass ich mir manchmal erlaube, nur einer Sache Aufmerksamkeit zu schenken, ganz bewusst.

VON DER BEWERTUNG ZUR WAHRNEHMUNG, VON DER ANGST ZUM VERTRAUEN - MALSPIEL-AUSWIRKUNGEN

Caroline: Und ganz viel bwirkt der Malort bei mir bei dem Thema Bewertung. Das war für mich ein Grund, hier im Malort anzufangen. Mich mehr mit Bewertungen auseinanderzusetzen. Mir bewusst zu werden, wann ich bewerte und wann nicht. Und da hat es ganz viel gemacht. Was ich jetzt ganz viel merke und einfach die Aufmerksamkeit oder das Bewusstsein dafür, das ist jetzt eine Bewertung. Nicht, dass ich jetzt weniger bewerte, sondern dass ich es wahrnehme.

Frauke: Hast du vielleicht ein Beispiel?

Caroline: Ja. Berufsbedingt komme ich immer wieder in die Situation, bewerten zu müssen. Mir ist es letztens passiert, dass ich einen Text gelesen habe, den ich bewerten soll. Und da habe ich gemerkt, dass ich eigentlich gar nicht wahrnehme, was da steht. Sondern mir nur Gedanken mache, welche Note das jetzt ist. Nach jedem Satz, jedem Wort, das ich lese, bin ich direkt in der Bewertung. Und dann sagte ich mir, nee Moment mal. Ich schaue mir jetzt mal an, was diese Person zu sagen hat. Das ich wirklich nochmal einen Schritt zurück gehe, in den Inhalt zu gehen. Da hat mir jemand was zu sagen, und das ist erst mal vorrangig und die Bewertung, da fällt mir schon etwas ein. Aber das, was ich wirklich gemerkt habe, was das mit mir macht, in dieser bewertenden Rolle zu sein. Und das wahrzunehmen, da hat mir der Malort sehr geholfen.

Frauke: Da sagst du was Wichtiges; dass du es wahrnimmst. Dir zu erlauben, es wahrzunehmen und keine Angst zu haben. Es kann uns hemmen, zu denken, ich hab ja keine Lösung, ich muss es ja machen. Und dann gucke ich lieber gar nicht hin. Aber das Bisschen Spielraum, das dann entsteht, zu erlauben, da hinzugucken und auch das Unangenehme zu fühlen, erst mal … weil sich dann auch Lösungsideen einstellen.

Caroline: Ich denke auch, irgendwann wird mir da schon eine gute Lösung einfallen. Wie ich damit umgehe mit dem Unwohlsein in der Bewertung. Ich denke Vertrauen ist auch noch so eine zweite Sache was der Malort auch macht. Das Vertrauen, es kommt ja immer was Neues, eben auch manchmal Langeweile oder Ratlosigkeit, das weiße Blatt. Und da ich auch schreibe als Wissenschaftlerin, habe ich immer Angst vor dem weißen Blatt, es kommt keine neue Idee, kein neuer Gedanke. Und dass ich diese Angst verliere, weil ich ja das Vertrauen habe, es kommt etwas …Und gleichzeitig auch mein Kind in der Entwicklung sehe. Dass ich weiß, es findet seinen Weg und wählt auch seinen nächsten Schritt selbst. Dass es einen Rahmen braucht und innerhalb dieses Rahmens entwickelt es sich von selbst.

Frauke: Da möchte ich auch nochmal auf euren Anfang im Malort verweisen. Und zurückdenken, wie ihr vor einem Jahr angefangen habt. Ihr seid ja von Anfang an zusammen gekommen. Und dein Sohn hat erst mal nicht mit gemalt. Er schien sich zunächst zu orientieren. Und es hat dann vier, fünf Wochen gedauert … Wir hatten das im Vorgespräch auch besprochen, falls ein Kind nicht gleich malen will, dass wir abwarten und nicht drängen. Es kann ja herausfordernd sein für Eltern. Schließlich bezahlen sie den Kurs, damit das Kind dort malt … Wenn es da gelingt und das fand ich beeindruckend, dass das für dich selbstverständlich schien, nicht zu drängen und ihn aufzufordern, doch mal ein Blatt zu nehmen. Du hast jedes Mal gemalt und er kam ja offensichtlich gerne mit. In dieser Situation zu vertrauen, abzuwarten, bis er da selber rein findet. Es kam dann so, dass er mitten in eurer fünften Stunde zu dir sagte, es platzte richtig aus ihm raus; „Mama, ich will auch malen!“ Das war so ein schöner Moment. Es lohnt sich, dieses Vertrauen …

Caroline: Und ich glaube, da hilft mir dann der Malort auch, dass auf andere Situationen zu übertragen. Also, das Vertrauen zu behalten. Weil eben schon  noch immer wieder Situationen sind, wo ich verunsichert bin, schafft er das alleine, diese nächste Entwicklungsstufe, oder dieses und jenes zu lernen. Und im Malort habe ich eben letzte Woche gesehen, er schafft es ganz allein, sich zu entwickeln. Was er braucht, ist ein sicherer Rahmen. Und ich kann ihm da Vertrauen entgegenbringen.


Archiv, Der Malort Düsseldorf
Archiv, Der Malort Düsseldorf

MALSPIEL:  EIN VERGNÜGLICHES SPIEL MIT NEBENWIRKUNGEN

Frauke: Noch etwas zum Thema Selbstbestimmung. Aufgrund der Kenntnis der Formulation und wie wesentlich das ist, wenn man sie erlebt im Malspiel. Das zeigen auch die Dokumente von Arno Stern und alles, was er über Jahrzehnte erforscht hat. Einerseits geht es nur um dieses vergnügliche Spiel. Aber darin ist so viel enthalten, so viele angenehme „Nebenwirkungen“. Die Formulation gibt mir eine klare Orientierung, so dass ich deswegen auch leicht ablenkendes Verhalten oder Tun identifizieren und die Malenden einladen kann, das abzulegen. Das wirkt anfangs für manch einen als seien es Verbote. Darum geht es natürlich nicht.  Diese Kategorie gibt es hier gar nicht. Es gibt nur das, was Spiel ist und das, was keins ist.

Ich denke da an das Beispiel der japanischen Frauen, denen früher die Füße eingebunden wurden, damit sie auf bestimmte kontrollierte Weise gehen konnten. Wenn ich mir vorstelle, wenn man die Bandagen abgenommen hat und versucht hat, ohne sie zu gehen, dass das sehr schmerzhaft und ungewohnt war. Der Muskel muss seine natürliche Funktion erst wieder erlernen. Würde ich zu erklären versuchen, wie laufen funktioniert, das würde sich auch kompliziert und nach unendlich vielen Regeln anhören. ‚Die soll ich alle einhalten?‘ Naturgesetze, die verschüttet sind und daher unnatürlich wirken. Oder ein anderes Beispiel, aus dem Film „Etre et Devenir“ von Clara Bellar, der untersucht, wie Kinder lernen, die nicht zur Schule gehen. Darin wird eine Englischlehrerin befragt. Sie beschreibt als besonderes Merkmal dieser Kinder, dass sie keine Angst vor Fehlern hätten. Weil es nicht darum geht ein Werk, ein dekoratives Bild oder überhaupt eine Aussage oder Mitteilung zu machen, sondern mit dem zu spielen, was einen interessiert. Im Falle von Kindern seien es nun Bagger oder Drohnen oder Feuer. Beim Erwachsenen ist es eher ein organisches Spielen mit Farben und Formen und der Genuss dabei. Und solange an dem dran zu bleiben, solange es einen beschäftigt, und dann zum nächsten zu gehen. Das hat nichts von Zufälligkeit, wie man vielleicht annehmen könnte. Rückwirkend sieht man dann eine ganz deutliche Ausprägung.

Caroline: Das würde ich auch gerne nochmal bekräftigen. Dass es nicht kommentiert wird. Und gerade nur für mich etwas zu machen. Das ist für mich ganz zentral. Ich kann ja dann machen, was ich will. Ich mache das weder für ein Lob, noch für einen Kommentar, noch für sonst etwas, was ich auch nutzen kann. Da es eben auch hier bleibt, kann ich das Bild ja nicht mal nutzen. Es hat eigentlich gar keinen Sinn, außer eben für das Malspiel. Und das wertet das Malspielen und das für sich Malspielen extrem auf, dass es da gar nichts anderes gibt, außer …

Frauke: Das Im-Moment -Sein, das Erfülltsein?

Caroline: Ja, wenn du etwas kommentieren würdest, würde mich das verunsichern und ich würde vielleicht auch versuchen, Sachen zu machen, über die du besonders nette Sachen sagst. Das ist noch eine Wirkung vom Malspiel; dass ich das außerhalb vom Malort viel mehr wahrnehme, wenn jemand bei mir oder bei anderen etwas kommentiert. Ich merke, dass mir das unangenehm ist, auch wenn es ein Kompliment ist.

Frauke: Das braucht man nicht …?

Caroline: Ja.

Frauke: Das zeigt, dass oft eigentlich etwas anderes gemeint ist. Man tut es, um etwas zu erreichen. Vielleicht um Verbindung zu schaffen oder Wertschätzung auszudrücken. Das verändert sich dann und man kann eine andere passendere Form dafür finden.

DAS MALSPIEL BEGINNEN – ERSTE SCHRITTE

Caroline: Was jetzt noch interessant ist zu erfahren, wie fängt man eigentlich bei dir an? Wie geht es da los? Kann man einfach mal vorbeikommen?

Frauke: Da es etwas ist, das man erst über einen längeren Zeitraum überhaupt erleben kann, ist das erste Jahr verbindlich. Es gibt zunächst ein Vorgespräch mit den Interessierten oder mit Eltern. Dies zunächst ohne Kinder. Die Kinder sollen mit den Rahmenbedingungen nicht belastet werden. Durch das Gespräch sollen die Erwachsenen in die Lage versetzt werden, eine Entscheidung treffen zu können. Für sich oder für ihre Kinder. Das betrifft zunächst die Überzeugung, dass es ihnen wichtig ist, dann das Organisatorische und das Finanzielle. Auch, ob mehrere Familienmitglieder zusammen kommen oder lieber nicht. So dass wenn ein Erwachsener oder ein Kind mit dem Malspiel beginnt, alles geklärt ist. Alle die hier zum ersten Mal malen kommen, sind bereit sich auf diesen besonderen Ort und das Geschehen einzulassen. Sie sind bereit, die Reise anzutreten und das Ufer los zu lassen. Es kommt niemand hinein, der sich das nur mal „angucken“ will. Denn auf ‚Probe‘ kann man hier nichts erfahren. Das Einlassen und die Bereitschaft jede Woche zu kommen, sind absolut notwendig. Die erste Stunde ist untypisch fürs Malspiel. Du hast selber vorhin das Selbstverständliche, die Zeitlosigkeit, das Wiederkehrende, das Zyklische angesprochen. Und natürlich fühlt man sich beim ersten Mal noch fremd. Es ist ein Raum von 25 Quadratmetern etwa, Kinder kommen hier mit Erwachsenen, Erwachsene mit Kindern zusammen, man kennt noch keinen, der Ablauf ist noch nicht vertraut. Genauso ungewohnt wie meine dienende Rolle. All das kennenzulernen und hinein zu wachsen – dafür ist hier genug Zeit. Melden kann man sich über die Website, dort findet man auch schon allerhand Informationen. Dann vereinbaren wir telefonisch einen Termin.

Caroline: Vielen Dank für das Gespräch!


Bilder: Gartmann/Pirch, FilmstillsSimon Streiffels, M.A. Richard Becker, Illustrator, Frauke Ratzke

Kontakt: Dr. Caroline Wittig cwittig@uni-wuppertal.de


 


[2] Formulation meint die spontane, universelle und grenzenlose Äußerung der Malspur, wie von Arno Stern entdeckt und dokumentiert.

[3] „Wie man Kinderbilder nicht betrachten soll“ Arno Stern, Verlag Zabert Sandmann GmbH, 2012

 
 
 

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