"JEDER PINSELSTRICH HAT EINE AUSWIRKUNG AUFS SYSTEM."
- fraukemalort
- 12. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Okt.

Ein Austausch zu Freiheit, zu systemischer Aufstellungsarbeit und dem Malspiel zwischen Dr. Andrea Brenner und Frauke Ratzke, Düsseldorf-Portugal, 2023
Frauke: „Aufstellen mit Andrea“ hat mich seit dem Aufbau meines Malortes vor über zehn Jahren begleitet. Kennengelernt haben Andrea und ich uns 2013 auf dem Düsseldorfer Tag für Gewaltfreie Kommunikation, die uns beide beschäftigt. Seither haben wir uns bei unseren Projekten gegenseitig unterstützt. Andrea lebt seit zwei Jahren in Portugal, sie bietet von dort Coaching online an und ist gelegentlich auch persönlich in Düsseldorf. Eineinhalb Jahre lang nahm sie am Modellprojekt „schreib.mal.spiel“ des Malort e.V. (heute Der Malort Düsseldorf) teil und erlebte so das Malspiel in einer altersgemischten Gruppe mit.
Andrea: Ich arbeitete schon mit dem Familienstellen, als ich das Malspiel bei Frauke kennenlernte. Es war so spannend die Parallelen zu erkennen: genau wie beim Malspiel wird auch beim Spüren auf den Stellvertreterplätzen in einer Aufstellung die Bewertung ganz herausgelassen. An dieser Stelle empfehle ich den Aufstellenden gerne: „Wenn Du dich jetzt einspürst in das Familienmitglied, dann sei einfach nur neugierig, wie es sich anfühlt, ohne Urteil und ohne Erinnerung, ohne Schlussfolgerung.“ Das ist wie Spielen. „Wie will sich dein Körper bewegen… versuche es spielerisch zu erfassen.“Und im Malspiel sowie in einer Systemaufstellung ohne Urteil geschieht dann wie automatisch das Wunder, wir werden erfasst von einer Bewegung, die uns wie von selbst in die Lösung und Heilung führt. Und dieser heilsamen Lebensbewegung können wir vertrauen. Wir können uns sozusagen ein glückliches Leben erspielen.
Beim Malspiel hat mich das Bewertungsfreie am meisten beeindruckt. Außerdem war erfahrbar, obwohl wir Malspielenden alle individuell an unseren Bildern malten, dass wir Teilnehmer in einem System verbunden waren. Jeder Pinselstrich hat auch eine Auswirkung aufs System. Wenn sich in einer Aufstellungsarbeit jemand bewegt, dann hat das auch Auswirkungen auf das gesamte System. Erwachsene und Kinder lernen beim Malspiel etwas ganz Wichtiges, was viele zuvor nicht gelernt haben: Grenzen setzen und die eigenen Bedürfnisse selbstverständlich ausdrücken. "Ich brauche einen Hocker, ich brauche eine Reißzwecke, ich will eine weiteres Blatt....." und dann geschieht das Wunder: die Bedürfnisse werden erfüllt!
Frauke: Zusammen haben zu allen möglichen Themen Aufstellungen gemacht und stellen uns gegenseitig immer wieder Fragen. Unsere – aktuellen – Antworten zum Thema Freiheit haben wir hier gesammelt:
Andrea, was ist für dich Freiheit, und was bedeutet sie nicht mehr? Ja: Freiheit bedeutet für mich, nichts, aber auch gar nichts, machen zu müssen und alles tun zu dürfen (solange das keinem Menschen und auch der Natur nicht wirklich schadet). Nein: zu glauben, die Berufung zu leben und dennoch den Glauben zu halten, etwas tun zu müssen, um Freiheit in Finanzen oder Zeit oder im Ort zu erfahren. … Ja: Freiheit bedeutet für mich, in jedem Augenblick mich so zu zeigen (sprechen, zeigen, handeln), wie ich wirklich bin, was ich wirklich will und entsprechend dem, was gerade bei mir auftaucht. Dies ohne Angst, ausgeschlossen oder beurteilt zu werden (oder dieser eine Bedeutung zu geben) Nein: zu glauben, mich doch noch einigen Konditionierungen beugen zu müssen (was nicht heißt, dass ich sie nicht frei wählen kann). … Ja: Freiheit bedeutet für mich, dass alles aufhört und alles neu beginnt. Immer wieder. Nein: zu glauben, dass ich durch meine Vergangenheit und Traumata festgelegt bin … Ja: Freiheit bedeutet für mich, mich immer wieder von Schlußfolgerungen, Urteilen, Erinnerungen, und Ängsten befreien zu können (auch, wenn ich vielleicht nicht weiß, wie das gehen soll). In Freiheit bin ich willens, immer wieder eine neue Perspektive einnehmen zu können. Nein: zu glauben, wissen zu können, was Freiheit ist. Sie hat keine abschliessende Definition und verändert sich mit mir. Damit ist sie für jeden anders im individuellen Ausdruck. … Ja: Freiheit bedeutet das Ende von Opferhaltung und Abhängigkeiten. Ich bin frei alles zu lassen und ich bin frei alles zu wählen. Freiheit ist Unabhängigkeit von Systemen. Nein: Zu glauben, ich könne ein paar Abhängigkeiten beibehalten … Ja: Freiheit ist immer in jedem Moment zur Verfügung und nur im Moment. Freiheit ist eine Wahl, jetzt. Nein: Freiheit liegt niemals in der Zukunft (wenn …., dann bin ich frei…). Dies zu glauben ist Selbstbetrug. … Ja: Freiheit bringt Leichtigkeit mit sich. Nein: Freiheit hat keine Schwere, sie muss nicht erarbeitet werden. … Ja: Freiheit bedeutet für mich, Geben zu können und Nehmen zu können. Freiheit leistet immer einen Beitrag zum Gesamtwohl (auch wenn das vielleicht nicht sofort ersichtlich ist). Nein: zu glauben, Freiheit braucht etwas außer meiner Einwilligung auf mein Inneres zu hören. ….
Ja: Freiheit ist Liebe.[1] Frauke, was ist für dich Freiheit, und was bedeutet sie nicht mehr? Freiheit bedeutet: Mich in die zu entspannen, die ich bin („Relax into who you are!“) – tiefe Lebensweisheit, Einheitserfahrung
Nicht mehr: „Ich mache, was ich will!“
Ja: Das, was aus innerer Notwendigkeit geschieht.
Nicht mehr: „Ich lass mir von niemandem was sagen!“, Rebellion, „Ich mache es anders als andere um des Andersseins, Abgrenzens willen.
Ja: Gesetzmäßigkeiten des Lebens kennen- und verstehen lernen.
Ja: zuallererst innere Freiheit; Freiheit von Mustern, von Konditionierung, von Fremdbestimmung
Ja: Übereinstimmung mit mir, im Einklang sein.
Ja: zu wissen wie und wodurch treffe ich meine Entscheidungen.
Ja: Die Weisheit des Körpers kennen (lernen) und berücksichtigen.
Ja: Hingabe. In Verbundenheit sein und handeln.
Nicht mehr: Getrenntsein, „sein Ding machen“ (vom Kopf her).
Ja: Den leichtesten Weg gehen. Erlauben. Was mich hindert, erkennen und verabschieden. Dem folgen und vertrauen, was mich begeistert, dem, wo meine Energie hingeht.
Nicht: Den bequemsten Weg gehen.
Nicht mehr: Freiheit planen, denn Freiheit als Ziel funktioniert nicht.
Ja: Freiheit ist der Anfang, jetzt und hier.
Nicht mehr: „Ich darf machen, was ich will!“ z.B. sage ich nie: „Du darfst im Malort malen, was du willst!“, da das, was wir wollen in der Regel unserem Verstand entspringt…und der hat k(aum)eine Ahnung von Freiheit!
Nicht mehr: mich selbst oder andere kontrollieren wollen.
Ja: Selbstbestimmt sein heißt, vor allem anderen, lerne ich, mich selbst zu führen, das gleichzeitig ein mich führen lassen ist (von einer größeren Kraft, der „Quelle“)
Ja: Ein Erlebnis während meines Aufenthaltes in Paris (während der Ausbildung bei Arno Stern, 2013); Mein Gastgeber, Olivier, lud mich ein, mit auf das Dach des sieben Stockwerke hohen Mietshauses zu klettern. Zwischen Dach und Straße gab es nichts außer der Regenrinne. ..und den überwältigenden Anblick von Paris bei Nacht.
Ohne das Bewusstsein dieses möglichen Absturzes (dabei war das Klettern nicht gefährlich und das Herunterfallen ganz unwahrscheinlich) wäre der Moment schön, aber nicht so intensiv, so wesentlich gewesen.
Ich sorge für meine Sicherheit UND zu viel Absichern und doppelte Böden können mir das Schönste vom Leben nehmen; das Gewahr-Sein meiner Lebendigkeit. KONTAKT: ANDREA BRENNER: www.andreabrenner.info FRAUKE RATZKE: www.malort-duesseldorf.de
[1] Copyright (für die Antworten von Andrea): Andrea Brenner 2023, Institut für Coaching & Bewusstsein, www.andreabrenner.info






Kommentare